Die Kombination von Informatik und Archäologie in einem Studium ist nach meiner bisherigen Erfahrung relativ selten. Für mich war sie allerdings recht naheliegend: der Umgang mit Computern und das Schreiben von Programmen interessierte mich schon ziemlich lange und das Interesse an Geschichte, insbesondere natürlich an den Römern, kam auch schon während der Schulzeit hinzu. Fest stand für mich allerdings fast gar nichts. Kein bevorzugter Studienort und als Studienfach konnte ich mir auch beides vorstellen. Ich war mir nur ziemlich sicher, dass man nicht beides gleichzeitig machen könnte! Nun ja, so kann man sich irren. Als ich per Zufall entdeckte, dass man in Dortmund Informatik mit praktisch jedem beliebigen anderen Fach als Nebenfach verbinden kann, war die Entscheidung gefallen. Und ein manchmal schon etwas verrücktes Leben als Studien-Exot begann.
Das offensichtlichste Problem war zunächst einmal, dass ich zwar an der Universität Dortmund Informatik studiere, aber Klassische Archäologie nur an der Ruhr-Universität Bochum angeboten wird. Dank unkomplizierter Bahnverbindungen erwies sich das allerdings als die geringste Hürde. Auch mit der Tatsache, an zwei Unis eingeschrieben zu sein machte ich mich ziemlich schnell vertraut. Sich gleich an zwei Unis zurechtfinden zu müssen, war zwar durchaus anstrengend, aber umso größer war die Freude, wenn ich einen gesuchten Raum dann schneller fand als erwartet. Die schönere Uni ist übrigens Dortmund. In Bochum sind dafür die Wege kürzer. Allerdings gibt's dort wiederum keine H-Bahn.
Wesentlich spannender war der Kampf mit der Bürokratie. Mein Nebenfach musste in Dortmund genehmigt werden, wozu es eines Antrags bedurfte. Diesem Antrag wiederum musste ein Studienverlaufsplan begelegt werden, welcher in Bochum zu genehmigen war. So weit, so einfach. Allerdings stellten sich bei mir relativ schnell zwei Erkenntnisse ein: erstens verstand niemand im ersten Anlauf, was ich vor hatte und zweitens wusste jeder sofort, dass ich es anders machen sollte, als mein jeweils vorhergehender Gesprächspartner es gesagt hatte. Nachdem ich mich dann darauf verlegt hatte, entweder nur Zitate aus Emails zwischen den jeweils zuständigen Stellen hin und her zu schicken oder aber mit unterschriftsreifen Papieren gleich persönlich im Büro vorbei zu schauen, anstatt den offiziellen Postweg zu nehmen, liess sich auch dieser Kampf zu meiner Zufriedenheit beenden. Dass man in Bochum nicht nur für ein Nebenfach eingeschrieben sein kann und deshalb aus rein formalen Gründen neben der Archäologie auch noch die Ur- und Frühgeschichte auf meiner Studienbescheinigung auftauchte, störte mich dann natürlich auch nicht mehr und erwies sich später sogar durchaus als nützlich. So langsam konnte sich also der Studienalltag breit machen.
Wie wohl bei den meisten Studienfächern allgemein üblich, verbrachte ich das Grundstudium in Informatik mit mehr oder weniger nützlichen Pflichtveranstaltungen und mehr oder weniger aufregenden Mathe-Vorlesungen in mehr oder weniger überfüllten Hörsälen. Trotz der recht hohen Zahl von über 700 Informatik-Erstsemestern, die zeitgleich mit mir anfingen, hielt sich letzteres zum Glück in Grenzen. Bei Archäologie lagen die Zahlen um ca. das zehnfache niedriger und die Auswahl an Veranstaltungen war deutlich freier, was ich umgehend dazu nutzte, mich nach Möglichkeit von allem künstlerischen oder griechischen fern zu halten und mich auf Architektur und die Römer zu beschränken. Eine Auswahl, die mich damals glücklich machte und überraschender Weise nicht geschadet hat - aber dazu später mehr. Mit dem einen oder anderen Besuch in einer Veranstaltung der Ur- und Frühgeschichte, die in Bochum auch für provinzialrömische Archäologie zuständig sind, rundete ich das Grundstudium ab, auch wenn die Scheine dort für mein Zeugnis nicht wirklich etwas wert waren.
Wirklich spannende Erlebnisse oder bahnbrechende Erkenntnisse lassen sich aus dieser Zeit aber nicht berichten. Die stellten sich erst zum Ende des Grundstudiums ein und bezogen sich natürlich schon wieder auf den Umgang mit der Bürokratie. Es ist nämlich gar nicht so einfach, eine Zwischenprüfung zum Nebenfach Archäologie mit Hauptfach Diplominformatik anzumelden, wenn die zugehörigen Formulare eines geisteswissenschaftlichen Prüfungsamtes nur entweder zwei Hauptfächer oder ein Hauptfach mit zwei Nebenfächern kennen. So gesellte sich dann im Computer des Prüfungsamtes aus rein formalen Gründen noch Germanistik zu meinen Studienfächern, nur um es Augenblicke nach dem Ausdruck des Formulares fein säuberlich durchzustreichen und mit einer entsprechenden handschriftlichen Anmerkung zu versehen. Spätestens da wusste ich, dass sich an der Uni Bochum jedes Problem zeitnah und unbürokratisch lösen lässt. Vom Prüfungsamt in Dortmund kann ich selbiges leider nicht behaupten. Solange ich keinerlei Prüfungen dort meldete, hatte es nichts zu tun. Sobald alle Prüfungen des Grundstudiums vorlagen und ich mein Zwischenzeugnis in Empfang nehmen wollte (das war im Oktober 2003) stellten sie fest, dass sie zunächst nichts tun konnten, weil das Computersystem nicht in der Lage war, mein Nebenfach zu verwalten. Nun ja, alles andere hätte ja auch verwundert...
Also begann ich mein Hauptstudium ohne Vordiplomszeugnis und entschied mich in Informatik für das herrlich nichtssagende Schwerpunktgebiet "Intelligente Systeme", in das etwa die Hälfte aller angebotenen Lehrveranstaltungen fiel. Um der Sache trotzdem ein wenig Struktur zu geben und meinen Interessen nachzukommen, bildete ich mit digitaler Bild- und Videoverarbeitung und -erzeugung einen Interessenblock und gruppierte darum herum ein paar andere spannende Dinge wie Evolutionäre Algorithmen, logische Schlußsysteme oder künstliche Intelligenz. Einen zweiten Schwerpunkt bildete durch die obligatorische, zweisemestrige Projektgruppe die Softwaretechnik. Unsere Gruppe entwickelte ein Eclipse-Plugin zur dreidimensionalen Darstellung von Laufzeitinformationen für Java-Programme. Ein wirklich spannendes Thema, was mir sehr viel Spass gemacht hat und dann auch zum Thema meiner Diplomarbeit wurde.
In der Archäologie kam ich im Hauptstudium natürlich nicht mehr um die Griechen und um Themen aus dem Bereich der Kunst herum, aber ich ertrug es erstaunlich gut und es machte mir wider Erwarten sogar Spass. Dabei wäre das nicht mal nötig gewesen, denn für den absoluten Spassfaktor sorgte drei Semester lang eine Modellbauübung, in der wir das römische Theater der Stadt Milet im Maßstab 1:100 nachbauten. Unsere Arbeitsfortschritte waren zwar fast immer deutlich geringer als geplant, aber das tat dem Vergnügen keinen Abbruch. Der Wechsel des verantwortlichen Dozenten nach München und sein späterer Tod bei einem Arbeitsunfall auf der Ausgrabungsstätte in Milet beendeten das Projekt dann aber jäh vor seiner Vollendung. Einer der wenigen absolut unerfreulichen Momente in meinem Studium.
Das Studium neigte sich trotzdem unaufhaltsam immer weiter dem Ende entgegen und die Abschlußprüfung in Archäologie stand vor der Tür. Mündlich sollte sie sein und musste zwei Themen umfassen, die nicht viel miteinander zu tun haben sollten. Zu Beginn meines Studium war ich mir sicher, dass in der Prüfung etwas römisches und etwas architektonisches vorkommen würde - griechische Urbanistik und griechische Malerei wurden es schließlich. Komplett griechisch und teilweise künstlerisch - und trotzdem war ich mit der Note zufrieden! Und mir gefiel es in Bochum doch tatsächlich so gut, dass ich auch im darauffolgenden Semester noch interessehalber eine Vorlesung bei den Archäologen sowie ein Seminar über Luftbildarchäologie bei den Ur- und Frühgeschichtlern besuchte. Mein Vordiplomszeugnis hatte das dortmunder Prüfungsamt zu diesem Zeitpunkt (Oktober 2005) übrigens immer noch nicht fertig. Erst einen Monat später wurde ich telefonisch über dessen Fertigstellung informiert.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits mit der Einarbeitung in ein Diplomarbeitsthema begonnen. Aus unserer Projektgruppe hatte sich ergeben, dass man den Nutzen dreidimensionaler Darstellungen für die Analyse von Laufzeitinformationen einmal empirisch untersuchen sollte, um festzustellen, ob dieser Ansatz für die Praxis relevant ist. Das Diplomarbeitsthema hatte damit einen leicht psychologischen Einschlag und war vielleicht nicht ganz informatiktypisch. Dementsprechend viel Zeit entfiel auf eine gründliche Vorbereitung, bis es dann Anfang 2006 wirklich ernsthaft losgehen konnte. Was in meinem Fall allerdings nicht bedeutete, die Arbeit sofort beim Prüfungsamt anzumelden, denn bei empirischen Arbeiten empfiehlt es sich, erst einmal auf ein paar Ergebnisse zu warten. Mit der Vorbereitung der Experimente und der Bereitstellung der nötigen Umgebung zog sich dieser Zeitpunkt dann noch ein halbes Jahr hin. Erstaunlicherweise stellte sich dann wenig später der erhoffte Punkt ein, ab dem sich die Arbeit quasi von selber schrieb, indem ich die Ergebnisse nur noch auswerten und zusammenfassen musste. Eigentlich wollte ich zwar viel schneller fertig sein, weil 10 Semester bis zum Studienabschluß schöner aussehen als 11, aber richtig traurig hat mich dieses eine Semester mehr nun auch nicht gemacht, da ich so wenigstens ohne großen Druck im Februar 2007 zum Ende der Arbeit kommen konnte.
Der Übergang vom Ende der Studentenzeit ins Berufsleben verlief dann fließend: dass ich im universitären Umfeld bleiben wollte um zu promovieren, stand schon länger fest und meine Anfragen waren entsprechend ausgerichtet. Schon während der letzten Wochen meiner Diplomarbeit ergaben sich hier und da einige Kontakte, die ich nach der Abgabe der Arbeit intensivierte. Unter anderem stellte ich das Ergebnis meiner Arbeit einmal zwecks Vorstellung in Essen vor und einmal bei einem Workshop der Software Engineering Konferenz 2007 in Hamburg. Und dann hatte ich auch schon tatsächlich eine Stelle an der Uni Essen, noch bevor ich Anfang Mai 2007 mein Diplomzeugnis entgegen nehmen konnte.